Plattformen wie soziale Netzwerke und andere digitale Dienste agieren global und stellen für viele Nutzende einen wesentlichen Teil ihrer Online-Erfahrung dar. Die zugrundeliegenden Informationstechnologien sind ein fester Bestandteil unseres persönlichen und beruflichen Lebens und nehmen beständig mehr Einfluss. Nutzende wissen zwar, dass sie durch die Verwendung digitaler Plattformen personenbezogene Daten über sich preisgeben, sind sich jedoch oftmals weder über den Umfang der über sie gespeicherten Daten noch über alle Rückschlüsse bewusst, die aus diesen Daten gezogen werden. Mit der Internationalisierung des Wirtschafts- und Handelsverkehrs finden kontinuierlich grenzüberschreitende Datenströme statt. Aufgrund der zentralen Stellung der Plattformen als Teil einer globalen Infrastruktur stellen sich grundlegende Fragen bezüglich der fairen Ausgestaltung einer Data Governance in der digitalisierten Welt.
Diskussionen über die politische Positionierung eines Landes und dessen wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sind heutzutage vielfach mit Daten und damit dem Thema Data Governance verbunden. Regionale Vorschriften sind im Datenschutzrecht selbst, aber auch in vielen weiteren damit verbundenen Gesetzen zu finden. Unterschiede zeigen sich exemplarisch zwischen den USA, der EU und China. In den USA gelten, unter weitreichenden Ausnahmen für die nationale Sicherheit, Datenschutzregelungen vor allem für staatliche Stellen und weniger für private Unternehmen. Der EU-Rahmen ist umfassender, betont Grundrechtsschutz und Rechtsstaatlichkeit, schützt Bürger*innen umfassend auch vor Datenverarbeitung durch Privatunternehmen und legt fest, dass Daten grundsätzlich nur in Länder mit einem angemessenen Datenschutzsystem übermittelt werden dürfen. China regelt die ordnungsgemäße und sichere Verarbeitung personenbezogener Daten, lässt aber sehr weitgehende Spielräume für die Zwecke der nationalen Sicherheit und wirtschaftlichen Entwicklung.
Die aktuelle Diskussion über globale Data Governance ist nicht nur mit gegensätzlichen Ansichten über nationalen Data Governance, sondern auch mit anderen Herausforderungen wie divergierenden Interessen zwischen Einzelpersonen und Unternehmen im internationalen Wettbewerb verbunden. So beruht der Erfolg der weltweit dominanten Tech-Unternehmen auf der hoch entwickelten Fähigkeit, Datenbestände zu sammeln, zu strukturieren, zu kontrollieren und zu vermarkten. Big Data und ihre Anwendung in der künstlichen Intelligenz beispielsweise können die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten, verändern.
Technologien wirken oft als Machtverstärker zugunsten bereits mächtiger Akteure und vergrößern das Gefälle zwischen Nutzenden und Plattformen, Beschäftigten und Arbeitgeber*innen, Bürger*innen und dem Staat. Um diese Machtasymmetrie zu überwinden, sind Instrumente wie Einwilligung oder Betroffenenrechte allein nicht effektiv. Neben dieser individuellen Dimension, rücken jedoch strukturelle Aspekte von Datenschutz und Privatheit – jedenfalls in Europa und den USA – in den Fokus. Dieser Systemdatenschutz nimmt den Erhalt des demokratischen Rechtsstaates in den Blick. Er darf dabei nicht auf technische Maßnahmen verkürzt werden, sondern verhindert durch datenschutzrechtliche Regelungen, dass Datenverarbeitungsvorgänge demokratische Institutionen und rechtstaatliche Garantien aufheben. Dazu zählt eine informationelle Gewaltenteilung, damit nicht derjenige, der Infrastrukturen bereitstellt – unabhängig davon, ob dies der Staat oder Plattformanbieter sind – alle Daten zentral vorhält. Daraus lassen sich auch Anforderungen an Infrastrukturen und die Data Governance ableiten.
Im Mittelpunkt der globalen wirtschaftspolitischen Ordnung, die sich seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts herausgebildet hat, steht traditionell die internationale Wirtschaftskooperation. Debatten rund um Daten- bzw. Technologie-Souveränität stellen jüngst den Wert internationaler Wirtschaftskooperationen und Datenflüsse jedoch zunehmend infrage und könnten eine Verschiebung der noch geltenden Wirtschaftsordnung zum Ergebnis haben. Datenschutzpolitik als Querschnittsthema, das bislang insbesondere mit den Politikfeldern der Wirtschaftspolitik und des Grundrechtsschutzes verknüpft war, gerät im Ergebnis dieser Entwicklung zunehmend in den diskursiven Einzugsbereich geopolitischer Interessen und bringt damit eine Reihe von neuen Fragen in die Datenschutzdebatte.
Im Rahmen der Konferenz wollen wir uns interdisziplinär mit den Gestaltungsherausforderungen und -möglichkeiten auseinandersetzten, die für eine zukunftsfähige und internationale Governance des Datenschutzes aufkommen. Angesprochen sind vielfältige technische, ökonomische, soziale, politische, rechtliche und pädagogische Ansätze, um Privatheit und informationelle Selbstbestimmung in der digitalen Welt fortzuentwickeln. Dies betrifft interdisziplinäre Einzelfragen sowie die Wechselwirkung der verschiedenen Perspektiven auf das Thema. Dafür sollen verschiedene normative, institutionelle und instrumentelle Konzepte von Datenschutz in einer digitalen Gesellschaft diskutiert sowie konstruktive Bausteine für eine zukunftsgerechte Gewährleistung von individueller und kollektiver Selbstbestimmung und Grundrechten erörtern werden. Exemplarisch wollen wir die folgenden Themenkomplexe in den Vordergrund stellen und eine erste, nicht-abschließende Vorsortierung der Themen bieten, denen sich die jeweiligen Beiträge widmen können:
Inwieweit können allgemeine innovative Ansätze der Datenschutz-Grundverordnung wie das Gebot einer datenschutzgerechten Systemgestaltung, das Erfordernis einer Datenschutz-Folgenabschätzung, die Möglichkeit einer freiwilligen Datenschutz-Zertifizierung oder die Selbstregulierung durch Verhaltensregeln genutzt werden, um Herausforderungen der Data Governance zu begegnen?
Hier finden Sie die Folien und Videoaufzeichnungen der Vortragenden, sowie das Graphic Recording von Magdalena Vollmer – Illustration für Kommunikation
zu jedem einzelnen Vortrag.
Wissensduschen zum Thema „Ökonomie der Privatheit"
Moderation: Miriam Janke und Michael Friedewald
Annika Selzer (online), Daniel Woods und Rainer Böhme
Simon Engert, Jonathan Kropf und Markus Uhlmann
Lars Pfeiffer, Stefanie Astfalk, Lorenz Baum, Björn Hanneke, Christian H. Schunck und Matthias Winterstetter
Paper Session #1
Die Erkennung und Bekämpfung von Desinformation
in Diensten mit Messenger-Funktionen - Eine interdisziplinäre Analyse
mit dem Fokus auf Telegram
Katarina Bader, Jeong-Eun Choi,
Gerrit Hornung, Carolin Jansen, Jan Philpp Kluck, Nicole Krämer, Lars
Rinsdorf, Tahireh Audrey Setz, Martin Steinebach, Inna Vogel und York
Yannikos
Das Programmheft zum Download finden Sie hier.
Alexander Roßnagel, Universität Kassel
Michael Friedewald, Fraunhofer ISI
Thomas Hess, LMU München
Rahild Neuburger, LMU München
Gerrit Hornung, Universität Kassel
Marit Hansen, Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein
Barbara Ferrarese, Forum Privatheit
Tel.: +49 721 6809-678
E-Mail: presse@forum-privatheit.de
Michael Friedewald, Susanne Ruhm, Greta Runge, Murat Karaboga, Frank Ebbers
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
info@forum-privatheit.de
Alexander Roßnagel, Tamer Bile, Christian Geminn
Universität Kassel, Projektgruppe verfassungsverträgliche
Technikgestaltung, Wissenschaftliches Zentrum für
Informationstechnik-Gestaltung