13. Jun 2020, Michael Friedewald
Am 16. Juni 2020 wird die Corona-Warn-App vorgestellt. Die Erwartungen sind hoch, dass die Zahl der Neuinfektionen mit ihrer Hilfe dauerhaft niedrig gehalten werden kann. Personen, die mit nachweislich Infizierten in Kontakt waren, sollen rasch informiert werden, damit sie sich selbst in Quarantäne begeben können, um die Infektionskette frühzeitig zu unterbrechen.
Das wissen wir noch nicht. Nehmen wir an, dass die gewählte technische Lösung das tut, was dazu notwendig ist. Das heißt, dass Bluetooth LE (Low Energy) tatsächlich dazu geeignet ist, den Abstand zwischen zwei Personen (bzw. deren Mobiltelefonen) ausreichend präzise zu erkennen. Das heißt weiter, dass eine Messung alle fünf Minuten ausreicht, weil kürzere Kontakte normalerweise nicht zu einer Infektion führen. Darüber hinaus muss möglichst breit auf Corona getestet werden, auch bei Personen ohne Symptome. Nur so kann man frühzeitig und umfassend die für das Funktionieren der App notwendige Information gewinnen. Denn in den zehn bis 14 Tagen zwischen Infektion und Auftreten der Symptome kann über Kaskadeneffekte eine große Zahl von Personen infiziert werden. Für eine wirksame Unterbrechung der Infektionskette muss deshalb möglichst schnell festgestellt werden, ob eine Person infiziert ist.
Wenn die Corona-Warn-App wirklich zuverlässig riskante Kontakte ermitteln kann und wenn ausreichend Informationen über Infektionen verfügbar sind, kommt es letztendlich darauf an, dass möglichst viele Personen die App auch tatsächlich nutzen. In den vergangenen Wochen wurde in den Medien eine Studie zitiert, wonach eine Tracing-App ineffektiv sei, wenn sie von weniger als 60 % der Bevölkerung genutzt wird. Die Autoren der Studie haben unlängst richtiggestellt, dass eine Contact-Tracing-App schon bei deutlich geringeren Nutzungsraten einen Nutzen hat. Bei über 60 % Nutzung seien aber keine zusätzlichen Maßnahmen mehr notwendig.
Was beeinflusst nun die Bereitschaft der Bevölkerung, die Corona-Warn-App herunterzuladen, zu installieren und zu nutzen? Statistisch besitzen über 95 % der Bundesbürger ein Mobiltelefon bzw. Smartphone, die App läuft aber nur auf neueren Geräten mit aktuellem Betriebssystem (iOS 13 bzw. Android 6) und gar nicht auf Geräten mit anderem Betriebssystem (Blackberry, Windows Phone). Offenbleiben muss die Frage, wie groß der Anteil der Bevölkerung ist, der nicht in der Lage ist, im Betriebssystem das „Covid-19 Exposure Logging“ zu aktivieren, das standardmäßig ausgeschaltet ist. Man kann aber vermuten, dass vor allem die besonders gefährdeten älteren Personen häufiger damit Probleme haben werden.
In mehreren Beiträgen haben wir in diesem Blog darauf hingewiesen, dass es verschiedene Faktoren gibt, die die individuelle Nutzungsbereitschaft beeinflussen (vgl. Beiträge „Psychologische Voraussetzungen“, „Kriterien für die Gewährleistung von Vertrauen“ und „Lass Dich überwachen!“). Zu diesen Faktoren gehören:
Die deutsche Corona-Warn-App hat zwar im internationalen Vergleich relativ lange auf sich warten lassen, erfüllt aber viele Voraussetzungen für eine breite Nutzung. Darauf weisen die ersten empirischen Umfragen hin (vgl. die Beiträge „Akzeptanz App-basierter Kontaktnachverfolgung“ und „Erste empirische Daten zur Nutzungsbereitschaft…“). In Frankreich, wo mit StopCovid vor kurzem eine vergleichbare Corona-App vorgestellt wurde, haben innerhalb der ersten Woche etwa 1 Mio. Nutzer die App installiert.
Die Corona-App ist kein Allheilmittel, das andere Maßnahmen ersetzen kann, eher ein groß angelegtes Experiment, wie auch ein Blick auf die Erfahrungen in anderen Ländern zeigt. In Australien wurde innerhalb eines Monats mit Hilfe der App lediglich ein einziger zuvor unbekannter Infizierter identifiziert und in Singapur kam es trotz App-Einsatz sogar zu einer zweiten Infektionswelle. Es bleibt also abzuwarten, ob die Contact-Tracing-App die in sie gesetzten Hoffnung erfüllen kann. Da wir noch eine ganze Weile mit den Gefahren durch das Corona-Virus werden leben müssen, sind die mit der Corona-Warn-App gesammelten Erfahrungen auf jeden Fall wertvoll für die Weiterentwicklung und Verbesserung.
Dr. Michael Friedewald ist Leiter des Geschäftsfelds „Informations-
und Kommunikationstechnik“ am Fraunhofer-Institut für System- und
Innovationsforschung ISI in Karlsruhe. Er koordiniert das vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte „Forum
Privatheit und selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt”.
Sehr geehrte Damen und Herren, auch ich bin Nutzer der Corona App. Was mir in der Vergangenheit ausgefallen ist, das Kontakte stattgefunden haben, obwohl ich mich nicht in der Nähe von Personen aufgehalten habe. Jetzt über die Feiertage war ich ausschließlich zu Hause. Weder meine Partnerin hat die App, noch war ich ni ht mal vor der Tür. Und trotzdem habe ich jeden Tag einen Kontakt mehr in der Risikobewertung. Was ist hier los! Solche Kontakte anzuzeigen ist doch Bullshit wenn keine stattgefunden haben. So eine App verunsichert extrem und ist nicht hilfreich.
100 Tage gibt es die App bereits und immer noch ist es so , dass ganz viele Labore noch nicht voll digital angebunden sind. Die Ergebnisse kommen immer noch per Fax auf Nachfrage. Das kann doch nicht sein …?!?
Sie haben Recht: Wir haben darauf hingewiesen, dass die App allein nicht den erhofften Nutzen entfalten kann. Es muss auch ausreichend getestet werden – das scheint der Fall zu sein). Die Ergebnisse müssen Zeitnah bei den Getesteten ankommen, Fax und Brief sind da nicht wirklich überzeugende Übermittlungswege. Allerdings hat das Ärzteblatt im AUgust gemeldet, dass 115 von 151 niedergelassenen Labore in der Lage sind ihre Daten digital zu übermitteln (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/115686/Mehrheit-der-Labore-nutzt-Corona-Warn-App). Und die Positiv getesteten müssen Ihr Ergebnis dann auch über die App teilen – und auch da scheint es erstaunlicherweise einen nicht unerheblichen Anteil von App-Nutzern zu geben, die dies nicht tun.
Für mich erfüllt die Corana-App bei weitem nicht die in sie gesetzten Erwartungen. Grund dafür ist die Freiwilligkeit bei der Eintragung eines positiven Testergebnisses. Wie die Praxis zeigt, sind es nur wenige % die das machen, müssten die doch eigentlich zuhause in Quarantäne sein und nicht in der Öffentlichkeit herumlaufen. Großer Aufwand, großes Tamtam und dann Versagen an einer so wichtigen Stelle. Warum kann man den positiven Befund nicht automatisiert direkt vom Testlabor im System eingeben.
Hallo, die App sagt mir gestern (hab vorher 3 Tage nicht draufgeschaut) dass ich einen unbedenklichen Risikokontakt hatte. Ich versuchte nun rauszufinden, wann das gewesen sein soll. In den Logdateien finden sich „match=1“ an 3 Tagen, im Gegensatz zu Match=0 sonst. Sind das dann die Risikokontakte? Aber wieso 3? Meine Frage wäre also: Wo kann ich in der App sehen, wann der Risikokontakt war?
Danke und Grüße, Anna
Hallo,
hier (https://github.com/corona-warn-app/cwa-documentation/blob/master/translations/cwa-risk-assessment.de.md) gibt es eine ganz gute – wenngleich ziemlich technische – Erklärung wie die Risikoermittlung funktioniert.
Soweit ich das abschätzen kann, wird das “Wann” der Begegnungen schon gespeichert weil es für die Berechnung benötigt wird, kann aber nicht über das User Interface abgerufen werden. Nicht gespeichert wird der Ort der Begegnung, sondern eben nur die ID der anderen Person.
M.E. kann es durchaus sein, dass es an drei Tagen Risikokontakte gegeben hat. Das wäre dann ein “Match der aggregierten
Schlüssel auf dem Backend mit den lokal gesammelten Schlüsseln” (https://www.leanovate.de/corona-warn-app-tech-jump/ – dort steht dann
auch mehr zum Risiko-Score).
Was ich an der ganzen Sache bisher nicht verstehe: Die Corona Warn App zeigt mir an, dass ich mich eine gewisse Zeit in der Nähe einer diesbzgl. positiv getesteten Person aufhielt. Aber was hat sich diese “corona-positive Person” außerhalb der eigenen vier Wände aufzuhalten? Sie müsste sich doch in häuslicher Quarantäne befinden! Und macht sie sich andernfalls nicht strafbar? Falls das so ist und diese Person/en grob fahrlässig/vorsätzlich handeln, wird dieser Personenkreis doch sicherlich überwiegend NICHT die App installieren.
Es geht bei der Warn-App nicht in erster Linie um die Personen, die bereits infiziert sind und das auch wissen.
Zwischen der Infektion und den ersten Symptomen vergehen ja 10 bis 14 Tage, während der man sich bereits anstecken kann. Dabei sind insbesondere die letzten Tage vor dem Auftreten der Symptome besonders gefährlich, da in dieser Zeit wohl das Ansteckungsrisiko am höchsten ist.
Mit der Warn-App kann eine Person, bei der Corona festgestellt wird, alle Personen benachrichtigen, mit den er seit seiner eigenen Infektion (also innerhalb der letzte 10-14 Tage) für längere Zeit in nahem Kontakt war.
Was die benachrichtigte Person dann tut, liegt in ihrer eigenen Verantwortung: Sie sollte zum Arzt gehen und sich testen lassen. Wenn der Test positiv ausfällt, sich in der App als Infiziert melden und dann in Quarantäne begeben.
Eben habe ich gesehen, dass die Nutzung der Corona-App nur möglich ist, wenn auf Android die Standortfunktion des Gerätes aktiviert ist.
Es wird zwar gesagt, dass keine Standortdate nerhoben werden. Aber durch die Aktivierung könnten andere Apps auf die Standortdaten zugreifen. Das ist ein erheblicher Eingriff in den Datenschutz, und wurde bisher nicht erwähnt.
Mich wundert, dass dies nötig ist und dass es offenbar noch niemand bemerkt hat?
Lieber H. Fink, das hatte heute morgen auch irritiert. Es gibt aber eine Erklärung, warum es so sein muss und dass es offenbar nicht bedeutet, dass tatsächlich Standortdaten erfasst werden. Von der Kommunikation her aber gewiss ungeschickt.
Hier der Artikel bei Spiegel online dazu. https://www.spiegel.de/netzwelt/apps/corona-warn-app-wieso-muessen-android-nutzer-den-standortzugriff-aktivieren-a-7f372aea-25e9-49f7-9ae3-9568cf526c04