Datenschutz und Digitalpolitik in krisenhaften Zeiten: Herausforderungen und Chancen

24.09.2025

„Datenschutz und Digitalpolitik in krisenhaften Zeiten“ – das ist das Thema der 10. interdisziplinären Jahrestagung der Plattform Privatheit, die am 1. und 2. Oktober 2025 im Fraunhofer-Forum Berlin stattfindet. Die Jubiläumskonferenz bringt Expert:innen aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um aktuelle Entwicklungen des Datenschutzes im Spannungsfeld von technologischen Innovationen und globalen Machtverschiebungen zu diskutieren. 

Im Fokus stehen zentrale Fragen zur Zukunft der europäischen Digitalpolitik: Wie können Datenschutzrechte in einer zunehmend instabilen geopolitischen Lage durchgesetzt werden? Welche Auswirkungen haben globale Krisen, Desinformationen und der rasante Einsatz generativer KI auf das individuelle Recht auf informationelle Selbstbestimmung? Und wie kann Regulierung aus europäischer Ebene innovativ, handlungsfähig und zugleich grundrechtskonform gestaltet werden? 

Neben einem abwechslungsreichen Programm mit Diskussionen und Workshops decken die drei Keynotes der diesjährigen Jubiläumskonferenz sowohl die europäische, die international-vergleichende als auch die nationale Perspektive ab.

Eine Maschine ist kein Mensch

Guido Scorza ist Vorstandsmitglied der italienischen Datenschutzbehörde Garante per la protezione die dati personali. Aus Rom bringt der Jurist eine europäische Perspektive auf Datenschutzaufsicht und internationale Regulierungen mit.

In seiner Keynote „Eliza’s lesson (which we didn’t learn) – Reflections on sentimental chatbots and major threats to data protection and digital policy“ knüpft er an sein 2025 erschienenes Buch „Diario di un chatbot sentimentale. Come le macchine ci imitano e ci manipolano“ – zu Deutsch „Tagebuch eines sentimentalen Chatbots – Wie uns die Maschinen imitieren und manipulieren“ an, das von menschlicher Einsamkeit und zentralen Aspekten einer digitalen Transformation handelt.

Sehr eindrücklich beschreibt er darin die Entwicklung des ersten Chatbots „Eliza“, der bereits in den 1960er Jahren von dem Informatiker Joseph Weizenbaum entwickelt wurde. Schon damals wurde deutlich, wie schmal der Grat zwischen Nutzen und Risiken ist, wenn Menschen Maschinen eine vermeintliche emotionale Nähe zuschreiben und die Maschine „vermenschlichen“. Obgleich eine Mitarbeiterin Weizenbaums wusste, dass es sich bei „Eliza“ um einen Chatbot handelte, offenbarte sie der Maschine sehr Privates, die Maschine erteilte ihr daraufhin Beziehungsratschläge. Weizenbaum erkannte die Gefahr und stoppte die Weiterentwicklung von Eliza, womit er sich damals nicht nur Freunde machte.

Heute, im Zeitalter generativer KI (und zunehmender Einsamkeit), sind solche Systeme längst Teil des Alltags: als virtuelle Ratgeber, Begleiter oder auch Gesprächspartner. Guido Scorza warnt vor den gesellschaftlichen und datenschutzrechtlichen Folgen dieser Entwicklung: Nutzer:innen öffnen sich Chatbots wie echten Personen, geben dabei intime Informationen preis und stärken so die Macht kommerzieller Anbieter, die diese Daten nutzen und potenziell gefährliche Abhängigkeiten schaffen.

Seine Botschaft: Chatbots und generative KI bergen nicht nur Chancen, sondern auch erhebliche Risiken für die Privatsphäre, für das Vertrauen in zwischenmenschliche Beziehungen - und letztendlich auch für die Demokratie.

Künstliche Intelligenz: Chancen und Risiken für die Demokratie

Diesen Faden greif Dr. Katja Munoz, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Berlin in ihrer Keynote: „Demokratie im KI-Zeitalter: Zwischen Inklusion und Manipulation“ auf.

Die Politikwissenschaftlerin und Research Fellow bei der DGAP stellt eine vergleichende Länderstudie vor, die im Rahmen der AI-Democracy-Initiative durchgeführt wurde. Analysiert wurden die Auswirkungen von KI auf die Wahlen 2024 in sechs Demokratien: Deutschland, Frankreich, USA, Indien, Mexiko und Südafrika.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeichnen ein ambivalentes Bild: Auf der einen Seite eröffnet KI neue Chancen für eine breitere Teilhabe, niedrigschwellige Kommunikation und personalisierte Informationszugänge. Politische Bewegungen können sich besser vernetzen, dialogorientierte Plattformen schaffen neue Räume der Partizipation. Auf der anderen Seite birgt dieselbe Technologie erhebliche Gefahren: gezielte Propaganda, Reichweitenmanipulation durch Algorithmen, die Erosion des Vertrauens in Informationen und eine potenzielle Unterwanderung demokratischer Diskurse.

Muñoz betont, dass KI weder ausschließlich Bedrohung noch ausschließlich Chance ist, sondern beides zugleich – ein Katalysator für demokratische Innovation ebenso wie ein Instrument potenzieller Manipulation. Ihre Keynote stellt die Frage nach den politischen, zivilgesellschaftlichen und regulatorischen Antworten, die nötig sind, um die Integrität demokratischer Willensbildung auch im Zeitalter der KI zu sichern.

Ein Perspektivwechsel zum Schluss

Insbesondere regulatorische Antworten, aber auch Fragen sind es, die Meike Kamp, Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, beschäftigen. In ihrer Keynote „Effektiver Datenschutz – Perspektive einer Aufsichtsbehörde“ untersucht sie aktuelle Fragen der Datenschutzaufsicht im Hinblick auf die nationale Durchführung der Digitalrechtsakte und den Schnittstellen zur europäischen DSGVO. Auch das nationale Thema der Bündelung oder Zentralisierung der Datenschutzaufsicht wird sie erörtern. Dabei wird sie eigene Vorschläge der Landesdatenschutzbehörden sowie Überlegungen zu Änderungen des materiellen Datenschutzes und einer DSGVO-Reform vorstellen.

Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie unter: https://plattform-privatheit.de/p-prv/jahreskonferenzen/jahreskonferenz-2025.php

Es besteht die Möglichkeit, mit den Keynote Speakern und auch weiteren Referent:innen Hintergrundgespräche oder Interviews zu führen. Geeignete Räumlichkeiten stehen im Tagungsgebäude zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich bei Interesse hieran sowie bei allgemeinen Presseanfragen direkt an Barbara Ferrarese, die gerne einen Termin koordiniert.



Wissenschaftskommunikation „Plattform Privatheit“ 

Barbara Ferrarese, M.A. 

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI 

Competence Center Neue Technologien 

barbara.ferrarese@isi.fraunhofer.de


„Plattform Privatheit und selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt“ 

https://www.plattform-privatheit.de 

Bluesky: @plattformprivat.bsky.social 

Mastodon: @ForumPrivatheit@bawü.social 

LinkedIn: linkedin.com/company/plattform-privatheit



In der vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt geförderten Plattform Privatheit untersuchen Expertinnen und Experten interdisziplinär, kritisch und unabhängig Fragestellungen zu Privatheit und Datenschutz in der digitalen Welt. Die Plattform Privatheit wird vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung und dem Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung an der Universität Kassel koordiniert.