AbracaData: Was deine Augen beim VR-Gaming über dich verraten - Plattform Privatheit stellt VR-Spiel auf der diesjährigen Gamescom vor

21.08.2025

Das Forschungsteam PRETINA der Plattform Privatheit stellt auf der Videospielemesse Gamescom vom 20. bis 24. August 2025 das Virtual-Reality-Spiel „AbracaData“ vor. Es macht die Privatheitsrisiken von Eye Tracking spielerisch erfahrbar. Mit den Teilnehmer:innen wird im Anschluss über die Möglichkeiten eines privatheitsschonenden Spiele-Erlebnisses diskutiert. Ziel ist es, am Ende Datenwertschöpfung und innovative Geschäftsmodelle mit effektivem Privatheitsschutz zu verbinden.

AbracaData, hexhex: Im VR-Spiel, das ein Team aus Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen entwickelt hat, werden die Spieler:innen zu Zauberlehrlingen, die Ordnung in das chaotische Labor des Zaubermeisters bringen sollen. Dabei werden – wie bei VR-Spielen zunehmend üblich – die Augenbewegungen der Spielenden aufgezeichnet und ausgewertet. Das Besondere an diesem Spielerlebnis: Im Anschluss zeigt das Forschungsteam, welche Informationen über die Spielenden „so ganz nebenbei” gesammelt wurden – und diskutiert mit ihnen, wie sich privatheitsschonendes Eye Tracking realisieren lässt.

Wir haben die Chance, die Entstehung eines neuen Marktes mitzugestalten

Eye Tracking, eine Technologie, die das Erfassen und Auswerten von Augenbewegungen ermöglicht, soll das Spielerlebnis verbessern, Texteingaben erleichtern und generell die Kommunikation zwischen Spieler:innen und Spiel bzw. Computer unterstützen. Eye Tracking bietet dadurch viele Chancen für neue Geschäftsmodelle – auch für europäische Unternehmen. „Wir haben gerade die einmalige Chance, die Entstehung eines neuen Marktes aus der EU heraus mitzugestalten – den Markt der Big Data im Bereich des Eye Tracking – und der innovativen Methoden zur Analyse von Blickbewegungen. Um uns von den Mitbewerbern abzuheben, ist es aber entscheidend, dass Geschäftsmodelle und Datenwertschöpfung auf eine ethisch und rechtlich vertretbare Weise entwickelt und umgesetzt werden”, so Dr. Michael Raschke, CEO des Projektpartners Blickshift GmbH.

Eye Tracking erlaubt Rückschlüsse auf Emotionen, Gesundheitszustand und sexuelle Vorlieben

Céline Gressel, Ethikerin am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften, erläutert: „Durch Eye Tracking dringt der Hersteller tief in die Privatheit der Spieler:innen vor. Die erzeugten Daten lassen nämlich nicht nur Rückschlüsse auf das Spielverhalten zu, sondern auch auf Persönlichkeitsmerkmale oder sogar den Gesundheitszustand der Spieler:innen.” Doch auch weitere hochsensible Informationen wie das Risiko der Spieler:innen, psychisch zu erkranken oder sexuelle Vorlieben können aus den Datensätzen abgeleitet werden. Dabei können die Spieler:innen kaum steuern, welche Informationen sie durch ihre Augen während des Spiels preisgeben. Vor diesem Hintergrund stellen sich brisante ethische und gesellschaftliche Fragen, die Fairness und Transparenz ins Zentrum der Diskussion rücken. Und spätestens, wenn die durch Eye Tracking gesammelten Informationen interessierten Firmen wie Werbeunternehmen oder Versicherungen zur Verfügung gestellt werden, wird es für die Spieler:innen schwer zu kontrollieren, bei wem die Daten letzten Endes landen, was aus ihnen abgeleitet wird und was dies für ihre zukünftigen Anfragen an Krankenversicherungen oder auch Bewerbungen zur Folge haben kann.

Wir müssen Technik, rechtliche Vorgaben und die Bedürfnisse der Spieler:innen miteinander in Einklang bringen

Auch aus juristischer Perspektive ist die Verarbeitung solch sensibler Daten, die sich aus den Augen ablesen lassen, problematisch. Als besondere Kategorie personenbezogener Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist ihre Verarbeitung grundsätzlich verboten. Eine zentrale Ausnahme bildet die ausdrückliche Einwilligung der Spieler:innen nach Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO. Diese Einwilligung ist oft nur einen Klick entfernt – eine bewusste und informierte Auseinandersetzung mit den Einwilligungsinhalten erfolgt in der Alltagshektik daher nur selten. „Das vorgesehene gesetzliche Schutzsystem verfehlt in der Praxis häufig seine Wirkung”, kritisiert PD Dr. Christian Geminn, Rechtswissenschaftler an der Uni Kassel. „Um in Zukunft einen effektiven und praxistauglichen Datenschutz zu gewährleisten, müssen wir die rechtlichen Vorgaben mit den besonderen Herausforderungen der Technik und den individuellen Bedürfnissen der Spielenden in Einklang bringen. Wirksamer Privatheitsschutz im VR-Gaming ist nicht mit dem Abhaken einer Datenschutzerklärung getan.”

Wir wollen Datenwertschöpfung und innovative Geschäftsmodelle mit effektivem Datenschutz verbinden

Murat Karaboga, Innovationsforscher am Fraunhofer ISI und PRETINA-Konsortialleiter definiert das Ziel des Projektes: „In den kommenden zwei Jahren werden wir Empfehlungen und Regulierungsvorschläge für den privatheitswahrenden und rechtssicheren Einsatz von Eye Tracking-Technologien entwickeln. Damit wollen wir europäische Unternehmen dabei unterstützen, Technologien und Produkte mit Eye Tracking anzubieten, die Datenwertschöpfung und innovative Geschäftsmodelle mit effektivem Privatheitsschutz verbinden.”

Mit seinem VR-Spiel „AbracaData“ möchte das PRETINA-Team auf der Gamescom die Diskussion darüber anstoßen, welche Informationen wem zu welchen Zwecken bereitgestellt werden dürfen – und welche Auswirkungen dies für die individuellen Spielenden, aber auch für die Gesamtgesellschaft hat. PRETINA ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt der Plattform Privatheit und steht für Privatheitswahrendes und rechtskonformes Eyetracking im digitalen Alltag.


Presseanfragen


Barbara Ferrarese, M.A.

Wissenschaftskommunikation Plattform Privatheit

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Abteilung Neue Technologien

+49 151 724 25939

barbara.ferrarese@isi.fraunhofer.de


Projektmitglieder PRETINA


Céline Gressel, M.A.

Theresa Krampe, M.A.

Universität Tübingen

Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften

Forschungsgruppe: Co-laborative Forschung und Innovation


Dr. Micheal Raschke

Blickshift GmbH Stuttgart


PD Dr. Christian Geminn

Universität Kassel

Öffentliches Recht, IT-Recht und Umweltrecht


Prof. Dr. Andreas Bulling

Universität Stuttgart

Professor für Mensch-Computer-Interaktion und Kognitive Systeme

Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme (VIS)

Abteilung Collaborative Artificial Intelligence (CAI)


Dr. Murat Karaboga

Abteilung Neue Technologien

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI


„Plattform Privatheit und selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt“

https://www.plattform-privatheit.de

Plattform Privatheit: LinkedIn

Bluesky: @plattformprivat.bsky.social

Mastodon: @ForumPrivatheit@bawü.social


In der vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt geförderten Plattform Privatheit untersuchen Expertinnen und Experten interdisziplinär, kritisch und unabhängig Fragestellungen zu Privatheit und Datenschutz in der digitalen Welt. Die Plattform Privatheit wird vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung und dem Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung an der Universität Kassel koordiniert.