18.12.2024
Mit der Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz entstehen neue Möglichkeiten, verstorbene Personen digital weiterleben zu lassen. Über Avatare und Chatbots kann man bereits heute mit Verstorbenen interagieren und dadurch auch die Erinnerungen an sie besonders lebendig halten.
Ein eindrückliches Beispiel für einen sinnvollen Einsatz von KI-gestützten Avataren bietet die digitale Repräsentation von Holocaustzeitzeug:innen. Auf Basis umfangreicher Interviews wurden interaktive Avatare entwickelt, die in Museen besichtigt und erlebt werden können. Diese Technologien bewahren nicht nur wichtige Erinnerungen, sondern helfen auch, ein tiefgreifendes Verständnis für historische Ereignisse an kommende Generationen weiterzugeben, was besonders wichtig wird, wenn es keine lebenden Zeitzeugen mehr geben sollte.
Doch die Entwicklungen des Digital Afterlife werfen auch zentrale ethische und rechtliche Fragen auf:
Wo liegen die Grenzen des digitalen Weiterlebens? Was bedeutet es, wenn Privatpersonen künftig mit verstorbenen Familienmitgliedern interagieren können? Wer trägt im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung datenschutzrechtliche Verantwortung und hat damit datenschutzrechtliche Pflichten zu erfüllen? Beispielsweise werden bereits bei der Konfiguration eines Avatars persönliche und hochsensible Daten verarbeitet, wie etwa physische Merkmale, Emotionen oder soziale Interaktionen. Hier können auch Informationen über unbeteiligte Personen preisgegeben werden, was datenschutzrechtlich geklärt werden muss.
Mit diesen und weiteren Fragen haben sich die Autor:innen der Studie „Ethik, Recht und Sicherheit des digitalen Weiterlebens“ auseinandergesetzt. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsarbeit entstand in Zusammenarbeit des Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen und dem Fraunhofer-Institut für Sicherere Informationstechnologie (SIT) Darmstadt.
Im Fokus steht die sogenannte Digital Afterlife Industry, die Erinnerungen in Form von KI-gestützten Avataren und Chatbots bewahrt. Dabei werden große Mengen personenbezogener Daten – von Textnachrichten bis hin zu Stimm- und Videodaten – genutzt, um die Illusion von Lebendigkeit zu erzeugen. Die Studie analysiert, wie diese sensiblen Daten verarbeitet, geschützt und rechtlich reguliert werden können, um Missbrauch zu verhindern. Darüber hinaus werden gesellschaftlich und kulturelle Aspekte beleuchtet, wie beispielsweise das digitale Weiterleben unsere Trauerkultur beeinflussen könnte.
Datenschutzrechtlich ist das Thema besonders interessant, da die verstorbene Person im virtuellen Weiterleben keinen direkten Einfluss mehr auf den Avatar und auf weitere Verarbeitungsprozesse nehmen kann. Hierbei können Persönlichkeitsrechte verletzt werden, wie zum Beispiel wenn der Avatar auf ungewollte Weise genutzt wird oder Inhalte entstehen, die die repräsentierte Person zu Lebzeiten nicht vorhersehen konnte. Das postmortale Persönlichkeitsrecht, das den Schutz der Persönlichkeit auch über den Tod hinaus sicherstellen soll, weist noch Schutzlücken auf, die geschlossen werden müssen.
Die Autor:innen der Studie kommen zu dem Schluss, dass klare rechtliche Rahmenbedingungen, verstärkte technische Sicherheitsmaßnahmen und ein ethischer Diskurs notwendig sind, um das digitale Weiterleben verantwortungsvoll zu gestalten.